Virus lässt sich nicht durch Grenzkontrollen aufhalten

Aus Sicht der Europa-Union sind Alleingänge und einseitige Grenzkontrollen das falsche Mittel um die Corona-Pandemie einzudämmen. Notwendig ist mehr EU-Koordinierung und eine wirksame Teststrategie.

Es ist zwar verständlich, dass wegen eines außerordentlichen globalen Geschehens wie der Corona-Pandemie der Wunsch in einigen EU-Mitgliedstaaten nach Grenzschließungen besteht. Dennoch sind aus Sicht der Europa-Union im Südwesten nationale Alleingänge und einseitige Grenzkontrollen das falsche Mittel. Notwendig dagegen ist eine europaweite Koordinierung, auch um eine abgestimmte Teststrategie zu ermöglichen. Die Europa-Union betont anlässlich der erneuten Grenzkontrollen in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten, dass die Schengener Verträge eine der größten Errungenschaften des europäischen Einigungsprozesses sind: Offene Grenzen zwischen den europäischen Staaten sind ein greifbarer Vorteil europäischer Integration für die Bürgerinnen und Bürger und mit konkreten EU-Bürgerrechten verknüpft.

Schon in der Vergangenheit habe man als Europa-Union Grenzschließungen kritisiert. Daran halte man auch in der Pandemie fest. Nach den negativen Erfahrungen mit Grenzschließungen in der ersten Welle der COVID-Pandemie im Frühjahr 2020 fehlte es nicht an Beteuerungen, man habe aus den damaligen Fehlern gelernt und werde sie zukünftig vermeiden. Ziel sei ein gemeinsames EU-Konzept für Reisebeschränkungen und damit verbunden auch gemeinsame Teststrategien. Erster Schritt dahin war ein Ratsbeschluss vom Oktober 2020. Umso ärgerlicher ist es, dass die Zeit nicht ausreichend genutzt wurde, um sich auf effektive Regeln für Hochrisikogebiete und Teststrategien innerhalb der EU zu einigen. Stattdessen wurde auf Mittel wie Grenzkontrollen und Grenzschließungen zurückgegriffen. Betroffen sind insbesondere die Grenzgänger, die ihre Arbeitsplätze nicht oder nur sehr schwer erreichen und Arbeitgeber, die davon unmittelbar betroffen sind, weil Arbeitskräfte fehlen.

Dadurch erodiert das Vertrauen in die Freizügigkeit und die damit verbundenen Rechte der Unionsbürgerinnen und Bürger. Die Erwartung, dass der Binnenmarkt auch in schwierigen Zeiten uneingeschränkt funktioniert und der freie Warenverkehr nicht beeinträchtigt wird, hält der Realität nicht Stand.

Schon seit 2015 werden Maßnahmen – um Personenkontrollen durchzuführen – von mehreren EU-Mitgliedstaaten immer wieder verlängert. So drohen lang erkämpfte Errungenschaften nach und nach verloren zu gehen. Die Europa-Union, die seit den fünfziger Jahren mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen an Grenzübergängen für offene Binnengrenzen zwischen den Mitgliedstaaten geworben hat, bekennt sich zu ihrer historischen und grundlegenden Forderung. Auch der Jugendverband der Europa-Union, die Jungen Europäischen Föderalisten, organisierten in den vergangenen Jahren zahlreiche Aktionen für offene Grenzen innerhalb der EU. Unter dem Slogan „Don’t touch my Schengen“ riefen die Jungen Europäischen Föderalisten seit 2016 zu einer europaweiten Kampagne auf.