Anlässlich des 70. Jahrestages des Studentensturmes auf die Grenzanlagen bei St. Germanshof-Wissembourg, erneuern die europäischen Föderalisten aus der Großregion und der Oberrhein-Region die Forderungen nach einem vereinten Europa ohne Grenzen.
Vor 70 Jahren, am 6. August 1950, demonstrierten rund 300 junge Europäerinnen und Europäer an der deutsch-französischen Grenze zwischen Wissembourg/Weiler (Elsass) und St. Germanshof(Pfälzerwald/Nordvogesen) für ein geeintes Europa ohne Grenzen. Im Laufe der Aktion sägten und verbrannten Studenten, Akademiker und Politiker aus neun verschiedenen europäischen Ländern Zollschranken, fielen sich gegenseitig in die Arme, hissten die Flagge der europäischen Bewegung und stellten Transparente mit der Aufschrift „Europa ist Gegenwart“ auf – so auch der Titel der Erklärung, die bei der Demonstration verlesen wurde. Zum ersten Mal in der Geschichte marschierten die Europäer nicht an die Grenzen, um sich gegenseitig umzubringen, sondern um die Abschaffung der Grenzen zu fordern. 70 Jahre später, am 6. August 2020, sind die Forderungen der frühen europäischen Föderalisten in einigen Fällen Wirklichkeit geworden. Wir haben ein Europäisches Parlament, einen gemeinsamen Markt, eine gemeinsame Währung, eine europäische Staatsbürgerschaft, Freizügigkeit dank der Abschaffung der festen Grenzkontrollen mit dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens vor 25 Jahren und vor allem einen Frieden, der seit 75 Jahren andauert. Mit der Corona-Pandemie durchlebt Europa derzeit jedoch seine größte Krise seit Kriegsende. Leider haben die nationalen Reflexe nicht lange auf sich warten lassen. In sehr kurzer Zeit haben die verschiedenen Staaten in einem erfolglosen Versuch, sich gegen die Epidemie zu schützen, unkoordinierte Grenzschließungen vorgenommen. Plötzlich scheint die gefährliche Teilung Europas wieder fahrlässig in Kauf genommen worden zu sein: Von heute auf morgen wurden entlang der Grenzen wieder Barrieren errichtet, die die gemeinsamen Lebensräume abschneiden und damit kilometerlange Staus, lange Umwege für die Grenzpendler, Störungen im Warenverkehr, Einschränkungen in den EU-Bürgerrechten und Trennung von Familien verursachten. Das gegenseitige Vertrauen, das über Jahrzehnte in den Grenzräumen aufgebaut wurde, ist damit ebenso beschädigt worden wie zum Teil das europäische Projekt. 70 Jahre nach der Demonstration von Wissembourg-St. Germanshof sprechen sich die Föderalisten erneut gegen Grenzbarrieren aus und erinnern daran, dass Europa immer Gegenwart sein muss! Die Freizügigkeit ist ein Grundrecht der europäischen Bürger. Es darf also keine nationalen Alleingänge der Mitgliedstaaten mehr geben! Wenn begrenzte Einschränkungen von Rechten und Freiheiten zum Schutz vor der Epidemie als vorübergehend notwendig angesehen werden können, müssen sie in Form von koordinierten europäischen Maßnahmen umgesetzt werden. Grenzüberschreitenden Initiativen zur Prävention oder Eindämmung der Pandemie muss Vorrang eingeräumt werden. Vor allem braucht die EU endlich Kompetenzen in der Gesundheitspolitik, insbesondere um ein europäisches Gesetz zum Schutz vor Infektionskrankheiten auf den Weg bringen zu können.
Klar ist auch, dass die Regeln des Schengener Abkommens überarbeitet werden müssen: Grenzschließungen oder Einreisebeschränkungen müssen die absolute Ausnahme bleiben und zeitlich streng begrenzt sein. Darüber hinaus müssen sie notifiziert werden und müssen zwangsläufig zu verbindlichen Vereinbarungen zwischen den Schengen-Partnern über den Zeitpunkt der Wiederherstellung des freien Personen- und Warenverkehrs führen. Schließlich muss die Kommission ihre Rolle als Hüterin der Verträge wirksam wahrnehmen und Verstöße gegen die Schengen-Prinzipien strenger überwachen. Den großen Herausforderungen der Globalisierung können wir nur mit einem wirksamen Föderalismus begegnen. Die föderale Entwicklung des europäischen Projekts ist die einzige Option für die Zukunft. Die Forderung der „ersten europäischen Generation“ von vor 70 Jahren nach einer gewählten europäischen Regierung ist daher nach wie vor gültig. Mit Mut, Zuversicht, Willen, Solidarität und Kreativität setzen wir uns dafür ein, dass das Projekt eines geeinten Europas endlich konkrete Gestalt annimmt. Lang lebe das Europa ohne Grenzen, lang lebe das Europa der Bürger*innen!
Unterzeichnet von:
Europa-Union Baden-Württemberg
Europa-Union Luxemburg
Europa-Union Saar
Europa-Union Rheinland-Pfalz
UEF Belgium
UEF France
UEF Grand-Est
UEF Luxembourg